Mushotoku- die Geisteshaltung beim Za-Zen  

Mushotoku bedeutet im Japanischen so viel wie " ohne Streben nach Profit, ziel-los, absichtslos." Das ist die Quintessenz des Zen nach Meister Dôgen, des Begründers der Soto-Schule. Der Geist soll an nichts anhaften, frei sein wie Wolken am Himmel oder Wasser, das sanft einen Bach herabfliesst. Er darf an keinem Objekt anhaften oder sich auf ein Ziel versteifen, es erreichen wollen. Denn wenn man auf ein Ziel fokussiert ist, erschafft sich der ruhelose Geist sofort wieder seine Vorstellungen davon, fällt in Vorurteile bzw. bildet sich seine Meinung darüber. Die kosmische Energie kann den Geist dann nicht durchdringen... 

Der Schüler soll an nichts anhaften, weder an Materiellem noch an Ideellem oder Spirituellem. Geht es Dir gut, hafte nicht an diesem Wohlgefühl an, hast Du Erfolg, hafte nicht daran...

" Wenn der Geist auf nichts verharrt, erscheint der wahre Geist..."

Dazu sagte Meister Dôgen: " Sitzt in Shikantaza und verwirklicht euer wahres Gesicht..."  Als Dôgen in Japan gefragt wurde, was er aus China mitgebracht habe, antwortete er: " Ich kam mit leeren Händen zurück- aber ich habe einen weichen und geschmeidigen Geist mitgebracht. Das ist die Essenz des Zen..."

Sitzt man in dieser Geisteshaltung, gibt man sein " Ich " völlig auf, die Gedanken zur Bildung der eigenen Individualität, des Egos...Aus dieser Geisteshaltung erwächst Demut, man kann seine eigenen Grenzen beobachten. Demut ist unerlässlich, um den Dharma zu verwirklichen.

Dazu wieder Meister Dôgen: " Za-Zen ist das wahre Tor zum Dharma..." Diese Übung bewirkt, daß das autonome Nervensystem wieder zur Ruhe kommt, in Harmonie. Dieses ist ja bekanntlich willentlich nicht zu beeinflussen. In diesem Zustand- der nichts Mystisches oder Entrücktes an sich hat- " fallen Körper und Geist ab- " wie es der Meister von Dôgen, Tendo Nyojo, ausdrückte.

Dies sagte er nach der Erleuchtung von Meister Dôgen seinerzeit. Da lösen sich dann unsere Konditionierungen, Vorstellungen und Meinungen von " Ich " und anderen Objekten auf, man überwindet somit das duale Denken, sein dualistisches Bild der Welt...Die Trennung zwischen " mir " und anderem ist aufgehoben, alles ist Eins...

Die Atmung ist die Verbindung zum Kosmos bzw. dessen Energie. Die Japaner bezeichnen mit " Ki " jene universelle Energie, die der Körper in Lebenskraft umwandelt, wodurch wir die Verbundenheit mit dem Kosmos spüren. Die Atmung erfolgt über tiefes Ausatmen und den Unterbauch, das Hara.

Durch die Zazen-Übung lernt der Schüler unbewußt das Leben im Hier und Jetzt: Nicht ständig in der Vergangenheit rumwühlen oder von der rosigen Zukunft träumen, sondern jetzt bewußt leben- so wird das Leben erfüllt und frisch...

" Wichtig ist auch, wie der Zen-Übende sich im alltäglichen Leben präsentiert. Strahlt die Güte und Ruhe aus seinem Charakter hinaus in das alltägliche Leben, ist das mindestens so hoch zu bewerten, als hätte er Kensho oder Satori. " Dies schrieb einst Meister Uchiyama. Und weiter: " Hinter dem Za-Zen steht die Buddhalehre und hinter beiden muß unser eigenes Leben stehen...Das Wundervolle an Dôgens Za-Zen ist, daß es entschieden im täglichen Leben gelebt werden muß..."

Dazu sagte ein zeitgenössischer Zen-Meister: " Wichtig ist, wie Deine Familie und Bekannten Dein Üben aufnehmen: Sehen sie es wohlwollend und schätzen sie Deine Bemühungen, gehst Du Deinen Weg richtig; stehen sie skeptisch-ablehnend der Sache gegenüber, ist etwas falsch an Deiner Übung oder Geisteshaltung..."

Meister Sosan ( gestorben 606 ) schreibt im Shinjinmei: " Es ist nicht schwer, den Weg zu durchdringen- doch muß man frei sein von Liebe und Haß, von Neigung und Abneigung..." Also kein Anhaften, ziel-los, mushotoku...Und weiter: " Der Kampf in unserem Bewußtsein zwischen " richtig " und " falsch " führt zur Krankheit des Geistes..."

Diese Geisteshaltung wird in einer Zen-Geschichte anschaulich erläutert: Ein Schwertmeister namens Shoken hatte eine große Ratte in seinem Haus, die ihn sehr belästigte. Keine Katze war ihr gewachsen. Er probierte verschiedene Katzen aus, eine schlaue, eine starke und eine ganz besondere mit starkem Ki- alle versagten, weil sie diese Superratte töten wollten. Die eine glaubte sich intelligenzmäßig überlegen, die andere vertraute ihren körperlichen Fähigkeiten, der Kraft ihrer Pfoten und ihrer Sprungkraft...

Der verdutzte Shoken gab alle Katzen seinem Freund zurück, der diese besonders qualifizierten Samtpfoten gezüchtet hatte. Schließlich holte er eine alte unscheinbare Zenkatze, die jahrelang in einem Kloster gelebt hatte. Die schlief den halben Tag und beachtete die Ratte gar nicht. Auch die Ratte war schließlich überzeugt, das diese Katze ungefährlich war. In diesem Moment biß die Zenkatze blitzschnell zu und tötete die Ratte...Sie war eben ohne Streben nach Anerkennung, ziellos, aber tat dann spontan das Richtige, eben " mushotoku..."  

Die Katzen, die verloren hatten, wollten von der Zenkatze wissen, woran es gelegen hatte. Diese erklärte: " Du erste hattest eine starke Technik, doch die Ratte war technisch noch stärker, folglich verlorst Du...

Du zweite hattest ein starkes Ki, also Energie- doch Du haftest daran, so wird es zu einer leeren Kraft...

Du dritte hast alle Technik hinter Dir gelassen, bist erleuchtet, allerdings jedoch noch nicht " mushotoku..." Das heißt, ihr drei konntet Technik, Energie und Bewußtsein nicht harmonisch zu einer ziel-losen Handlung vereinen- deswegen war euch die Ratte überlegen...Jede von euch hatte das Ziel, diese Ratte zu töten...Dadurch hättet ihr Ruhm und Lob und Belohnung erfahren... 

Ich hingegen hatte kein Ziel, als ich dieses Zimmer betrat, die Ratte war mir egal. Ebenso Lob oder Anerkennung oder Belohnung...Dann habe ich unbewußt und spontan gehandelt und somit Energie, Technik, mein Bewußtsein und den günstigen Augenblick vereint, ohne etwas zu wollen- es nur getan, ohne irgendwelche Absicht...Wir Katzen töten eben Ratten, ganz einfach..."

Üben wir also täglich Shikantaza und werden irgendwann diese kosmische Energie, dieses göttliche Licht, wie es andere nennen oder das Buddha-Wesen erkennen, wie Meister Deshimaru-Roshi und Meister Dôgen sagten- sofern es uns zufällt...Denn wenn wir danach streben, ist es weiter weg als der Mond...

 * Mögen alle Lebewesen glücklich sein *

                    Anfänger-Geist ( Jap. Shoshin ) 

Im Zen ist es wichtig, sich stets seinen Anfänger-Geist zu bewahren; d.h., man muß sämtliche Konditionierungen, sein Wissen über Zen aufgeben und sich ganz der jetzigen Übung hingeben. So ist der Geist stets offen für neue Erfahrungen, Erkenntnisse.

" Nur ein einfacher oder Anfängergeist kann das Leben anders wahrnehmen, das Bewußtsein ist dem Wesen nach " einfach, " das heißt aus einem Teil. Es ist nicht anmaßend oder überheblich, es kann von nichts beeinflusst werden. Dieses " reine " Bewußtsein zu entwickeln und zu entdecken, dies geschieht nach und nach. Leben wir zum Großteil in diesem reinen Anfängergeist, sind wir nicht mehr der Sklave von Objekten, Ereignissen und Gedanken, die uns stressen und gnadenlos im Griff haben. Während des Sitzens ist dies relativ einfach zu erreichen und zu bewahren, kehren wir jedoch in unser Alltagsleben zurück, ist dies erheblich schwieriger- denn da müssen wir abwägen, bewerten, entscheiden und geraten wieder in den Sog von Emotionen und Bewertungen- und gerade hier setzt sich die Za-Zen-Übung in der Praxis fort. " Quelle: Zenmeisterin Charlotte Joko Beck, USA, 1917-2011

Während man sitzt, werden die Zeiträume länger, wo wir Menschen nicht mehr als Belastung empfinden, nicht mehr als sympathisch oder das Gegenteil, sondern sie einfach so annehmen können, wie sie sind. Wir können ihre " negativen " Eigenschaften akzeptieren und sie so lassen, wie sie sind: Wir müssen nicht versuchen, sie ändern zu wollen.

Dasselbe gilt für das Leben überhaupt- wir müssen nicht die Welt retten, wir können sie belassen, wie sie ist. Dies ist unheimlich wohltuend, weil wir nicht mehr agieren, bewerten und uns über Geschehnisse und Zustände aufregen müssen. Dies erfordert aber jahrzehntelanges Üben, und dann weiter bis zum Tod. Das geht nicht mit einem Crash-Kurs der Volkshochschule.

In diesem Anfängergeist lebend, können wir das Leben gut leben, man kann auch sagen, geniessen. Es ist ein erfülltes Leben, trotz unseres Wissens der Vergänglichkeit. 

Man bewahrt sich so diesen Geist, indem man zwischen Informationen und Erfahrungen unterscheidet und folglich sein Wissen als Infos, nicht als eigene Erfahrungen ansieht. Dann kann Neues während der Za-Zen-Übung entdeckt werden...Man klammert also sich nicht an sein Wissen über Zen, im Gegenteil: Man lässt es los, " verbrennt " seine Bücher, macht sich kein Bild von Buddha...

Es heißt nicht von ungefähr im Zen: " Wenn Du Buddha siehst, dann töte ihn..." Während  man notwendigerweise im Alltag unterscheiden können muß, engt es uns ein in Bezug auf die Leerheit des Geistes...Wir streben danach, uns vom Leiden zu befreien: Nur wenn wir loslassen, uns diesen Anfänger-Geist stets bewahren, befreit uns die Praxis, unserer eigenes Sitzen in Za-Zen...Dann lassen wir uns durch unsere Praxis befreien.  

Kurz gesagt kann ich meine Praxis so zusammenfassen: Alle meine Vorstellungen, Wissen und vorgefassten Meinungen über Zen täglich auf den Müll werfen und mir somit meinen Anfängergeist bewahren, meinen biegsamen, geschmeidigen Geist ( wie Meister Dôgen sagte, als er aus China zurückkam ). Mit dieser Voraussetzung dann Za-Zen üben- was mein Buddhawesen zum Ausdruck bringt- also Shikantaza oder NUR-SITZEN. Dann kann ich eigene Erfahrungen machen, und nur die zählen im ZEN. Hier kannst Du einiges über diese meine Erfahrungen lesen. "Za-Zen: Wirkung? 

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